Wie wenig ist genug?

Wenn man mit dem Ausmisten einmal angefangen hat, kann es passieren, dass man kein Ende findet. Dass man entrümpelt und Dinge los wird und es bleibt immer weniger zurück.
Wann hört man auf?
Ich glaube, das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Jeder hat da seinen eigenen Endpunkt. Wo meiner ist, weiß ich noch nicht (weil ich im Prozess bin, vermutlich eher am Anfang).

Es gibt Menschen, die haben ihr „genug“ gefunden. Und genug ist für sie sehr wenig.
Sie nennen sich Minimalisten und anscheinend findet dieser Trend seit Jahren steigenden Zuspruch, vor allem in der jungen Generation.

Wir leben in einer Zeit, in der es so viele Dinge gibt, wie nie zuvor. Sie werden mehr und immer schneller mehr. Optionen ohne Ende. Reizüberflutung. Entscheidungschaos. Das erzeugt Druck und Stress.
Wen wundert’s, wenn sich da eine Gegenbewegung entwickelt, ein Gegenentwurf zur konsumorientierten Überflussgesellschaft.

Minimalisten sind Menschen, die sich nur mit wenigen Dingen umgeben. Und zwar mit denen, die ihnen unverzichtbar sind.
Ein Minimalist hat vermutlich einen guten Laptop, ein Smartphone, aber keine (oder kaum) Bücher. Bücher zu besitzen ist in digitalen Zeiten nicht nötig. Hauptsache man hat Zugriff auf die Inhalte.
Schnickschnack wird konsequent entsorgt, weil er Energie frisst (z.B. muss man ihn „in Ordnung“ halten) und weil er ablenkt. In Zeiten, in denen Zeit eine knappe Ressource ist, möchte der Minimalist seine Zeit nutzen für Aktivitäten, die ihm am Herzen liegen, nicht dafür, seine Sachen aufzuräumen.
Wenn Besitz ein Statusmerkmal ist, kostet es viel Energie, Zeit, Geld, den Status aufrecht zu erhalten oder sogar auszubauen. Stress, den der Minimalist vermeidet.
Minimalismus scheint eine Möglichkeit zu sein, wieder den Überblick und damit die Kontrolle über sein Leben zu bekommen.

Minimalisten besitzen oft nur 100 oder 200 Dinge. Keine Ahnung ob ein Paar Socken da als ein oder zwei Teile gezählt wird. Auf jeden Fall ist das Größenordnungen entfernt von einem Durchschnittshaushalt mit rund 10.000 Dingen (wie ich gelesen habe).
Das klingt einerseits spartanisch, andererseits macht es vermutlich leicht, flexibel.
Und irgendwie muss ich an Buddhismus denken: Kein Anhaften an den Dingen.

Ich glaube nicht, dass ich zur Minimalistin in Reinform werden könnte. Dafür bin ich als Künstlerin oft zu sehr Sammlerin (von Inspirationen, von Material etc.).
Aber den Kram um mich herum zu reduzieren auf das für mich Wesentliche, daran arbeite ich gerade.

Übrigens: Diese Reduktion ist sicher deutlich einfacher, wenn man alleine lebt. Ansonsten gilt: Entsorgen nur einvernehmlich, sonst ist die Gemeinschaft schnell am Ende.

Sooo viel Zeug (3)

Ich stehe mit dem neuen T-Shirt vor dem offenen Kleiderschrank und denke:
Verflixt, wo soll das da noch hinein? Wenn ich es auf den Stapel mit den anderen T-Shirts quetsche, dann bekommen alle Falten. Und wenn ich eins herausziehen will, rutschen mindestens zwei hinterher und ich darf sie neu zusammenlegen.
Was tun?

Erste Möglichkeit: Ich lege das T-Shirt auf einen anderen Stapel, auf dem noch etwas Platz ist, egal, ob das jetzt Pullover oder Sweat-Shirts sind oder was auch immer.
Nachteil: Ich bringe Durcheinander in den Schrank und übersehe das T-Shirt vermutlich, weil ich es dort nicht erwarte.

Zweite Möglichkeit: Ich weite den Stauraum für meine Kleidung aus, indem ich vielleicht einen neuen Schrank kaufe oder Teile eines vorhandenen Schrankes nun für Kleidung verwende.
Nachteil: Mein Zuhause wird immer voller, enger und unübersichtlicher.

Dritte Möglichkeit: Ich beschließe, mich von Kleidungsstücken zu trennen, um Platz für das neue T-Shirt zu machen. Klingt sinnvoll, ist aber gar nicht so einfach.
Ich muss mir Kriterien überlegen, die mir eine Entscheidung möglich machen: Behalten oder aussortieren?

Das Zeitkriterium (soundso lange nicht benutzt) mag ich nicht, weil es Dinge gibt, die ich wirklich sehr selten brauche, aber hin und wieder eben schon.
Das Kriterium von Marie Kondo (ich hatte hier von ihrer Methode erzählt), die Dinge zu behalten, die uns glücklich machen, gefällt mir da schon deutlich besser. Aber dabei gibt es immer wieder Fälle, bei denen mich ein schlechtes Gewissen plagt.

Wenn ich ein T-Shirt gekauft habe, in dem ich mich nicht wirklich wohl fühle, kann ich es nicht einfach wegwerfen oder weggeben. Es hat schließlich Geld gekostet, mein Geld. Und ich denke dann, ich müsste es irgendwie nutzen, sozusagen den Kaufbetrag abnutzen.

Bei meiner Beschäftigung mit dem Thema „Wirtschaft“ bin ich auf einen Begriff gestoßen, der hier passt: „sunk costs“ – versunkene Kosten.
Kosten, die in der Vergangenheit angefallen sind und nicht rückgängig gemacht werden können, sind versunken. Sie sind nicht zu ändern und sollten bei Entscheidungen, die die Zukunft betreffen, nicht berücksichtigt werden.

Ein Beispiel aus der Wirtschaft:
Ich plane ein Projekt, bei dem ich insgesamt 100.000 Euro investieren muss und einen Erlös von 120.000 Euro erwarte. Hieße: ich mache einen Gewinn von 20.000 Euro. Klingt gut und ich lege los.
Nachdem ich 10.000 Euro in die Planung gesteckt habe, stellt sich heraus, dass ich vorausichtlich nur 80.000 Euro einnehmen werde. Weitermachen oder das Projekt stoppen?

Wenn ich weitermache, werde ich ab diesem Zeitpunkt Kosten von 90.000 Euro aufhäufen, aber nur 80.000 Euro einnehmen. Ich beende das Projekt also.
Die 10.000 Euro Planungskosten habe ich für die Entscheidung nicht berücksichtigt, weil sie vergangen, versunken sind. Ich bekomme sie so oder so nicht zurück.

Psychologisch gibt es hier eine Falle:
Wenn wir Geld, Mühe, Zeit in ein Projekt investiert haben, neigen wir dazu, an diesem Projekt festzuhalten. Und zwar unabhängig davon, wie die Prognose für die Zukunft aussieht.

So ist das auch mit meinem ungeliebten T-Shirt. Ich habe in der Vergangenheit Geld investiert, also behalte ich es, obwohl die Prognose für die Zukunft sagt: Dieses T-Shirt wird weiter ungetragen im Schrank liegen und mich ärgern.
Nehme ich die „sunk costs“ für das T-Shirt aus meinen Überlegungen heraus, ist klar: Ich werde es weggeben, z.B. an ein soziales Kaufhaus, denn dann nutzt es vielleicht noch jemand anderem.

 

Sooo viel Zeug (2)

Wo war ich gestern stehen geblieben? Bei dem Problem mit den Bedürfnissen und den T-Shirts.
Ich habe mir den Begriff „Bedürfnis“ näher angeschaut, habe z.B. bei Wikipedia nachgelesen und festgestellt, dass hinter diesem einfach klingenden Wort eine ganze Menge steckt.

Ich habe ihn gestern verwendet, wie wir das im Alltag gerne tun, und habe damit das Haben-wollen bezeichnet, das Verlangen nach etwas.
Die Psychologie ist da genauer: Wir empfinden einen Mangel und möchten ihn beheben. Dabei spielt es erstmal keine Rolle, ob dieser Mangel ein tatsächlicher Zustand ist oder ob er in unserer Vorstellung existiert.
Wenn ich Hunger habe, dann ist das ganz real und ich muss etwas essen, damit der Hunger verschwindet. Da Nahrung lebenswichtig ist, gehört sie zu unseren körperlichen Grundbedürfnissen, besser Existenzbedürfnissen.
Ein weiteres Existenzbedürfnis ist Kleidung, denn mein Körper braucht Wärme (zumindest die meiste Zeit in unserem Klima).

Und schon bin ich bei meinem neuen gestreiften T-Shirt.
Wenn ich einen ganzen Stapel T-Shirts im Schrank habe, dann ist das Bedürfnis nach Bekleidung, um mich zu wärmen, befriedigt. Und zwar mehrfach.
Warum also kaufe ich weitere T-Shirts?

Vielleicht ist es ganz simpel: Jemand hat mich dazu verführt und ich – ich habe mich verführen lassen. Z.B. von der Werbung.
Werbung soll Bedürfnisse wecken, einen Bedarf erzeugen, der dann vom Angebot auf dem Markt gedeckt wird.
Bedarf ist – wirtschaftswissenschaftlich gesprochen – die Kombination eines Bedürfnisses mit Kaufkraft, sprich: Geld.
Das heißt ganz einfach: Werbung soll dafür sorgen, dass wir Geld ausgeben für Dinge, von denen wir vor der Werbung noch nicht wussten, dass wir sie brauchen könnten.

Ich habe mein neues, gestreiftes T-Shirt vielleicht nicht in einem Werbeprospekt gesehen. Aber wenn ich durch die Stadt gehe, wenn ich in einem Geschäft stehe, dann sind all die Auslagen ja auch nichts anderes als Werbung. Die Dinge leuchten mich an, als würden sie rufen: Nimm mich mit, ich bin genau das, was dir fehlt.
Und ich werde schwach und denke: Ja, dieses T-Shirt gefällt mir. Es würde perfekt passen zur roten Hose und ist auch gar nicht teuer.
Man beachte die Reihenfolge: Zuerst „gefällt mir“ – meine Gefühle sind angesprochen.
Danach kommt dann eine Art Rechtfertigung, aber da ist die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Ich kaufe das T-Shirt und bin damit in die Falle getappt.

So weit meine Gedanken zu Bedürfnissen und T-Shirts (sie erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit).
Morgen geht’s dann weiter, wenn ich vor dem vollen Schrank stehe und überlege, wie ich Platz für das neue T-Shirt schaffen kann.

 

Sooo viel Zeug (1)

Woher das nur alles kommt?
All diese Dinge in Schränken und Schubladen, auf Regalen und sämtlichen freien Flächen. Sie kommen nicht durchs Fenster geschwebt, sie wachsen nicht aus dem Teppich. Wir holen sie uns selber in unser Zuhause. ICH ganz persönlich hole sie herein.
Ich kaufe Sachen in Geschäften oder im Internet. Ab und zu nehme ich Dinge auf, die jemand anderes nicht mehr braucht. Und dann gibt’s ja auch noch Geschenke.

Den größten Teil der Dinge benutze ich oder erfreue mich daran. Zumindest für eine Weile. Irgendwann landet dann aber vieles in einer Ecke, einem Schrank, verschwindet aus dem Blick und aus den Gedanken. Und ich trage erneut Zeug nach Hause.
Liegt es daran, dass meine Vorfahren bis zu den Jägern und Sammlern zurück reichen? Steckt es in den Genen, dieses mächtige Haben-wollen?

Haben wollen. Das klingt nach Bedürfnis.
Da ist also ein Bedürfnis, zu dessen Befriedigung ich etwas benötige, ein Ding, eine Sache, Zeug eben. Und wenn ich dieses Ding, diese Sache, dieses Zeug habe, dann ist mein Bedürfnis befriedigt und gibt Ruhe. Oder nicht?
Denn es dauert nur eine kleine Weile, dann ist das nächste Haben-wollen da.

Nehmen wir ein Beispiel. Ich kaufe ein hübsch gestreiftes T-Shirt. Zuhause packe ich es aus, bügele vielleicht ein paar Falten heraus und lege es in den Schrank. Auf einen hohen Stapel anderer T-Shirts, teils einfarbig, teils gestreift. Aber genau so eins, wie das neue, war nicht dabei, deshalb glaubte ich ja es zu brauchen.
Und dann kann folgendes passieren:
Erste Möglichkeit: Ich ziehe das neue T-Shirt bei der nächsten Gelegenheit an, fühle mich darin wohl und trage es in der kommenden Zeit regelmäßig. Dann habe ich sozusagen ein neues Lieblingsteil. Dafür dämmern dann aber andere Shirts im Dunkel des Schranks vor sich hin und sind eigentlich überflüssig.
Zweite Möglichkeit: Ich trage das neue T-Shirt ein Mal, irgendwie passt es aber nicht so richtig in Form oder Farbe oder was auch immer mir ein ungemütliches Gefühl macht. Also lege ich es nach der Wäsche in den Schrank und ignoriere es. Es lagert vor sich hin, auch wenn es eigentlich unnütz ist. Aber es ist ja neu und hat Geld gekostet, also bleibt es.
Dritte Möglichkeit: Ich vergesse das neue T-Shirt für eine Weile, es liegt ordentlich aber unbenutzt im Schrank. Anscheinend war es doch nicht so wichtig. Wenn ich es dann irgendwann wieder entdecke, kommen Möglichkeit eins oder zwei zum Tragen.

Was ist nun mit dem Bedürfnis, das mich das neue T-Shirt hat kaufen lassen?
Und was mache ich mit überschüssigen T-Shirts in meinem Schrank (egal ob neu oder alt)?
Darüber denke ich morgen nach.

 

Der Zauber des Ausmistens

Ich mag unsere Bibliothek, also die in der nächsten Stadt, besuche sie regelmäßig. Mir geht’s meist um Sachbücher. Mich bewegt mal wieder ein Thema und ich möchte dazu etwas lesen. Aber fast immer nehme ich dann noch etwas ganz anderes mit, weil es mich auf meinem Weg durch die Bibliothek angesprungen hat.

Sie machen das geschickt: Gleich hinter dem Eingang lauert ein großes Regal aus roten Quadern, in dem Neuzugänge aufgebaut sind. Und im Lesesaal stehen neben den Regalen Tische mit ausgelegten Büchern zu einzelnen Themen.
Klar, dass mein Blick darüber gleitet. Und klar, dass er hängen bleibt an einem Cover, einem Titel, manchmal nur einem Wort. Ich nehme das Buch in die Hand, lese den Klappentext, blättere – und nehme mit. Und auf diese Weise ist mir letztens auch „Magic Cleaning“ von Marie Kondo in die Finger gefallen.

Irgendwann irgendwo hatte ich diese zwei Worte schon mal gehört: „Magic Cleaning“. Weil ich dabei an Putzen dachte, habe ich keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Was soll an Putzen schon magisch sein. Aber es geht um etwas ganz anderes.
Es geht um ein weiter gefasstes Reinigen, um Ausmisten und Aufräumen – und zwar äußerlich wie innerlich. Wobei das eine sozusagen automatisch aus dem anderen folgt.

Marie Kondo, Japanerin, ist gerade mal knapp über 30, beschäftigt sich mit dem Thema Aufräumen laut eigener Aussage schon seit Kindertagen. Und sie kennt genau das grundlegende Problem:
Aufräumen ist bei den meisten von uns eine Sisyphus-Aufgabe, eine Aufgabe, die nie fertig wird. Kaum scheinen wir Ordnung geschaffen zu haben, bilden sich hinter unserem Rücken schon die nächsten Haufen mit „Zeug“, mit Dingen, die herumliegen, sich stapeln, türmen. Die für Unordnung sorgen, die uns zur Weißglut bringen (es sei denn, wir sind bereits in dem Stadium angelangt, in dem uns alles egal ist). Aufräumen scheint eine endlose Geschichte zu sein.

Woran liegt das? Marie Kondo hat eine einfach Antwort: Wir haben zu viel Zeug!
Wir verstopfen unsere Wohnungen mit zu vielen Dingen, die wir eigentlich nicht brauchen. Wenn wir gründlich ausmisten und danach richtig aufräumen, dann erledigt sich das Problem von selber.
Spontan fällt mir beim Lesen ein Song von Silbermond ein – Leichtes Gepäck – und ich denke, dass Frau Kondo wahrscheinlich recht hat. Aber was ist zu viel? Und wie räume ich richtig auf?

Marie Kondo hat ein paar einfache Grundsätze:
> Zuerst wird entrümpelt, danach aufgeräumt.
> Entrümpeln soll man in einem Rutsch, in kurzer Zeit und perfekt.
> Entrümpelt wird nach Kategorien (Kleidung, Bücher, Papiere, Kleinkram, Erinnerungen), nicht nach Räumen.
> Beim Aufräumen wird für jedes Ding ein fester Platz bestimmt, an den es immer wieder zurück gebracht wird.

Um perfekt entrümpeln zu können, muss man sich vorher überlegen, was man damit erreichen will, wie man leben möchte und warum gerade so. Das motiviert.
Und fürs Wegwerfen gibt es bei ihr nur ein Kriterium:
Ich nehme jedes Ding in die Hand und frage mich: Macht mich dieses Teil glücklich? Wenn ja, dann behalte ich es. Wenn nein, weg damit.
Es spielt keine Rolle, ob ein Ding teuer war oder ein Geschenk oder wann ich es das letzte Mal benutzt habe.
Wichtig ist, die Dinge wirklich Stück für Stück in die Hand zu nehmen, zu fühlen und zu spüren, in sich hinein zu hören. Das Ziel: Mich nur mit Dingen zu umgeben, mit denen ich mich wohlfühle. Das kann ich gut nachempfinden.

Ich kämpfe immer wieder mit der schieren Menge an Dingen, die sich in unserem Haus angesammelt haben. Ich merke tagtäglich, wie viel Zeit und Energie es kostet, diese Dinge in Ordnung zu halten. Und ich bin seit einiger Zeit dabei, hier und da auszumisten. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
Es gibt Bereiche im Haus, da ist Ordnung kein Problem. Das sind die Bereiche, wo das Zuviel entsorgt wurde, wo die Dinge ihren Platz haben (gutes Beispiel: die Küche). Das spricht für Marie Kondos Prinzip.
Andere Bereiche ziehen Dinge an und damit auch das Durcheinander. Ich verstehe, was sie mit „entrümpeln in einem Rutsch und perfekt“ meint. Wenn ich nicht alles gründlich ausmiste, dann kann sich das Chaos wie aus Keimzellen wieder ausbreiten.
Und ich kann auch gut nachvollziehen, dass es Sinn macht, nach Kategorien auszusortieren. Wenn man z.B. alle Kleidungsstücke aus allen Teilen der Wohnung zusammenholt und auf einen großen Haufen packt, erst dann bekommt man einen Überblick und der Überfluss wird deutlich. Das erleichtert die Trennung.

Es gibt allerdings auch Punkte in Marie Kondos Buch, an denen ich aussteige. Ich glaube z.B. nicht, dass nur 30 bis 50 Bücher genug wären. Ich glaube auch nicht, dass ich alle Bedienungsanleitungen wegwerfen will. Ich denke, manche ihrer Vorstellungen sind ihrer japanischen Herkunft geschuldet, einem Leben, das dem Einzelnen weniger Raum zugesteht, als es bei uns üblich ist.
Aber ihr Grundsatz: Nimm jedes Teil in die Hand und frag dich, ob es dich glücklich macht – der ist eine gute Entscheidungshilfe, um sich von Ballast in der eigenen Umgebung zu befreien.

Und natürlich lässt sich dieser Grundsatz auch auf andere Entscheidungen übertragen.
Ich gehe mit offenen Augen durch mein Leben. Wenn ich spüre, dass da etwas nicht in Ordnung ist – in der übertragenen Bedeutung -, bin ich aufgefordert zu handeln, etwas zu ändern, aufzuräumen.
Und das gilt sowohl für mein Inneres als auch für meine Umgebung.

18. Dezember

Konsumrausch – nein, danke!
 
Vorweihnachtliches Shoppen, Geschenke kaufen, mehr Geschenke kaufen, die Wirtschaft ankurbeln, auf dass sie wachse. Das scheint das Credo zu sein alle Jahre wieder.
Und alles nur, weil die heiligen drei Könige dem Kind Gaben in die Krippe gelegt haben.

Wirtschaftswachstum ist wichtig, sagen Politiker. Die Wirtschaft muss wachsen, damit unser Wohlstand erhalten bleibt und auch in anderen Ländern Wohlstand erreicht wird.
Aber das kann nicht immer so weiter gehen. Denn wir leben auf einem endlichen Planeten.
Die Ressourcen, die Rohstoffe sind begrenzt, können irgendwann nur noch unter hohem Aufwand und mit großen Schäden für unsere Umwelt gefördert werden.
Durch unser Tun hat das Weltklima sich schon heute verändert, wird sich drastisch weiter ändern – und zwar nicht zum Guten für uns.
Ist da noch etwas zu retten? Und wenn ja, wie?

Die UN-Klimakonferenz in Paris hat – zum ersten Mal überhaupt – einen Weltklimavertrag geschlossen, in dem sich alle Länder gemeinsamen Zielen zum Klimaschutz verpflichten. Das klingt gut. Die Frage stellt sich allerdings, wie diese Ziele umgesetzt werden sollen.
Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Wirtschaft in allen Ländern wachsen soll – in den Schwellenländern und Entwicklungsländern noch mehr als bei uns.

Oder ist Wohlstand für alle möglich, ohne dass die Wirtschaft pausenlos wächst?

In den letzten Monaten habe ich mich ein bisschen mit diesem Thema beschäftigt, habe einiges gelesen, Vorträge im Internet gehört. Es gibt verschiedene Wissenschaftler, die sich mit den Möglichkeiten einer Wirtschaft ohne Wachstum beschäftigen und mit einer Gesellschaft, die ohne Wirtschaftswachstum auskommt.

Im Buch „Befreiung vom Überfluss“ stellt Prof. Dr. Niko Paech gut verständlich und leicht lesbar die Situation dar, kritisiert die aktuellen Lösungsvorschläge und entwirft dann seine Vorstellung einer Postwachstumsgesellschaft. Weniger industrielle Produktion, Rückkehr zu regionalen und lokalen Wertschöpfungsketten, längere Nutzungsdauer und Reparaturmöglichkeit der Güter, Gemeinschaftsnutzung und eigene Produktion schonen Ressourcen und Umwelt und fördern soziale Beziehungen.
Suffizienz – Genügsamkeit – ist eine Voraussetzung, die wir mitbringen müssen. Was keinen Rückschritt in mittelalterliche Verhältnisse bedeutet, sondern ein Zurück zum „Was brauche ich wirklich?“.
Zusätzlicher Effekt: Wir haben wieder mehr Zeit, heutzutage die knappste Ressource überhaupt, können das, was wir haben und tun, wieder genießen und werden glücklicher.

Klingt zu schön, um wahr werden zu können?
Da fällt mir wieder der Satz ein, den ich auf der ehemaligen Berliner Mauer gelesen habe:
 
Wenn viele kleine Leute ...
 
Niko Paech: Befreiung vom Überfluss
München: oekom Verlag 2014 (8. Auflage)

 

Gerade war PI

PI – der erste Buchstabe des griechischen Wortes perimetros – Umfang.
PI – die Kreiszahl.
PI – diese irrationale, transzendente Zahl mit ihren unendlich vielen Nachkommastellen.

Wir alle kennen sie aus der Schule.
Mathematik. Geometrie. Alle Berechnungen, die irgendwie mit Kreisen zu tun haben, brauchen Pi.
Der Taschenrechner kennt ganz viele ihrer Nachkommastellen, für eine ausreichende Genauigkeit im Alltag würden allerdings schon zwei oder drei ausreichen.

Und heute hatten wir zum ersten Mal neun Stellen.
Wie? Heute?
Heute ist PI-Day!
Weil heute der 14. März ist – in anderer Schreibweise 3-14.
Und wenn man jetzt noch Jahr, Stunde, Minute und Sekunde dazu packt, dann war um 9:26 Uhr und 53 Sekunden neun Stellen PI:
 
3,141592653

 

Vom Glück des Schneeschippens

Heute Morgen ist es draußen weiß, etwa drei Zentimeter dick.
Wir haben keinen Bürgersteig am Grundstück, also kann ich entspannt warten, bis es richtig hell ist. Dann ziehe ich eine leichte Fleece-Weste, Stiefel und Handschuhe an und packe die Schneeschaufel.
Strich um Strich schiebe ich das Pflaster frei. Zuerst den schmalen Weg und die kleine Treppe, dann den Bereich vor der Garage. Und weil die Luft so angenehm frisch ist, schließlich auch noch die Flächen rund ums Haus.

Der Schnee ist feucht und klebt an der Schaufel. Immer wieder muss ich sie mit der Kante auf die Steine stoßen, damit die schweren Klumpen abfallen. Mir wird warm; ich weiß schon, warum ich nur eine Weste übergezogen habe.
Strich um Strich schieben, umdrehen, aufstoßen, schieben.

Irgendwann merke ich, dass ich nicht nachdenke. Dass ich nur in dieser Bewegung bin: schieben, umdrehen, aufstoßen. Gleichmäßig, ruhig, meditativ.
Und dann beginne ich doch nachzudenken. Was macht das Schneeschieben mit mir?

Es ist anstrengend, vor allem, weil es taut und der Schnee zusammenpappt. Nach einer dreiviertel Stunde werden meine Arme schwer. Ich spüre, wie ich Bauch- und Rückenmuskeln anspanne und wahrscheinlich noch jede Menge anderer Muskelpartien. Ich habe hier also ein kostenloses Workout.

Mir wird warm beim Schneeschippen, der Kreislauf kommt in Schwung. Ich arbeite an frischer Luft, bekomme jede Menge Licht. Super Therapie gegen Müdigkeit und Winterblues.

Meine Bewegungen laufen gleichmäßig und konzentriert ab. Ich werde ruhig, meine Gedanken sind bei der Arbeit und bei nichts sonst. Im Hier und Jetzt, wie man so gerne sagt. Meditation und Stressabbau.

Schneeschippen erzeugt also ganz viele positive Effekte. Ich lächele und …

… es fängt an, wieder leicht zu schneien.

 

Wo bleibt die Zeit?

Haben wir nicht gerade die Geschenke ausgepackt? Und mit Sekt auf ein frohes Neues angestoßen? War das nicht erst gestern?
Dem baldigen Ende des Januars stehe ich zwiespältig gegenüber.
Einerseits freue ich mich, dass der Winter deutlich kürzer und der Tag wieder länger wird. Der Frühling rückt näher. Aber dass das so schnell geht, erschreckt mich auch.

Als würde jemand an der Zeitkurbel drehen, würde die Trommel beschleunigen, die Tag und Nacht wechseln lässt, die durch die Woche rotiert und rotiert und zur Schleuder wird.
Mir wird bei diesem Drehen und Kreisen schwindelig. Kaum ist das Wochenende da, ist schon wieder Montag und die Woche fliegt erneut vorbei.

Ich denke an Einstein, an die Relativität der Zeit. Kurz gefasst: Je schneller eine Uhr bewegt wird, desto langsamer läuft sie. Das passt irgendwie gar nicht zur aktuellen Erfahrung. Muss daran liegen, dass unsere Geschwindigkeit weit entfernt ist von der des Lichts, und der Effekt sich in unserem Alltag nicht bemerkbar macht.

Es muss also einen anderen Grund geben, für das Phänomen, dass die Zeit so schnell vergeht.
Kann es sein, dass eine Stunden heute nur noch 54 Minuten hat? Zehn Prozent Rabatt im Winterschlussverkauf? Ausverkauf der Zeit.

 

Fremd

Ich fühle mich gerade fremd, sehr fremd.

Nicht weil angeblich unsere westliche Welt bedroht ist.
Sondern weil ich diese Menschen nicht verstehe.
Die Menschen, die nach Hautfarbe, Herkunft, Religion unterscheiden.
Die Menschen, die ablehnen, was anders ist.
Die Menschen, die diffuse Ängste hinter Parolen verschanzen.

Ich habe in den letzten Tagen von einer Studie gehört und ein bisschen nachgelesen.
Religionsmonitor – ein eigenartiges Wort.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Zum zweiten Mal durchgeführt Ende 2012 in 13 Ländern. Die Auswertung zu Deutschland ergänzt im November 2014 durch eine weitere Umfrage. Thema Religiosität, es geht u.a. um den „Zusammenhang von Religiosität mit Werten und Einstellungen zum sozialen Zusammenhalt“ (vgl. Wikipedia).

Zwei Ergebnisse dieser Studie gingen durch die Presse:
Einerseits steht der größte Teil der Muslime in Deutschland zu westlichen Werten, hält die Demokratie für eine gute Staatsform und pflegt Kontakte zu Nicht-Muslimen.
Andererseits steigt die Angst der nichtmuslimischen Deutschen vor dem Islam; mehr als die Hälfte der Befragten meinen, er passe nicht in die westliche Welt.

Bei Vorurteilen und Negativbildern spielen Bildung, sozialer Status und politische Orientierung kaum eine Rolle. Entscheidend sind dagegen Altersgruppe und persönliche Kontakte.
Was ich besonders bestürzend finde: Je weniger Kontakte Menschen mit anderen Kulturen haben, desto ablehnender stehen sie diesen gegenüber.

Wenn ich so etwas lese oder höre, frage ich mich: Warum denken Menschen so?
Warum lehnen sie ab, was sie nicht kennen? Warum grenzen sie aus, ohne dem anderen überhaupt eine Chance zu geben?

Wenn ich so etwas lese, fühle ich mich fremd, sehr fremd.